Matti Karstedt: MAZ: Vom Dorfkind zum FDP-Politiker

MAZ: Vom Dorfkind zum FDP-Politiker

Wenn der 22-Jährige in den Landtag einzieht, dürfte er einer der jüngsten Berufspolitiker in Brandenburg werden: Matti Karstedt aus Groß Kreutz ist FDP-Direktkandidat im Wahlkreis 16.

Groß Kreutz. Der FDP-Direktkandidat Matti Karstedt aus Groß Kreutz ist ein vielseitiger junger Mann. Er wirkt nicht nur wie ein smarter Jungunternehmer, er ist es auch: Der 22-Jährige studiert zwar im sechsten Semester Jura in Potsdam. Doch daneben ist er selbstständig in der Web-Branche, war ein Jahr lang Teilzeit-Mitarbeiter der Pressestelle in der Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin und ist seit März [vergangenen Jahres] Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Berliner FDP-Abgeordneten Maren Jasper-Winter.

Warum die Viel-Jobberei? „Ich komme aus einer bürgerlichen Familie und da muss man entsprechend arbeiten, um sein Studium zu finanzieren“, sagt Matti Karstedt, der in Natura weniger cool erscheint als auf den Wahlplakaten, sondern eher wie der nette junge Mann von nebenan.

Er steht auf Listenplatz 4

Seit sechseinhalb Jahren ist Matti Karstedt FDP-Mitglied. Belohnt haben das die Brandenburger Liberalen, indem sie ihm Listenplatz vier und damit ganz gute Chancen auf den Einzug in den Landtag gaben. „Träumen kann man immer, als FDPler ist man ja auf Wettbewerb getrimmt. Die politischen Verhältnisse aber sind so wie sie sind, daher werde ich es über das Direktmandat vermutlich nicht schaffen.“

Als Matti Karstedt 2013 der Partei beitrat, war der damalige Schüler des Ernst-Haeckel-Gymnasiums in Werder 16 Jahre alt. „An der FDP finde ich faszinierend, dass sie die einzige Partei ist, die sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich freiheitlich denkt“, begründet er seinen Entschluss.

Wie ein Fußballverein

„Die FDP spiegelt die Region ganz gut wieder“, sagt Matti Karstedt. „Wir haben Schüler, Studenten, Handwerker, Ärzte, Rechtsanwälte, Bestattungsunternehmer. Das ist eine Mischung, die man sonst nur im Fußballverein hat.“

Matti Karstedt lebt bei seinen Eltern im Neubau in Groß Kreutz und damit immer noch in dem Ort, wohin die Familie aus Potsdam gezogen ist, als der Filius vier Jahre alt war. Dort, am Ortsrand, liegt das grau gestrichen und holzvertäfelte Haus. Das würde auch in einen Vorort von Kopenhagen passen. Daneben schauen von einer Koppel zwei Pferde in den Garten, als gehörten sie zur Familie. Tun sie aber nicht.

Vater flüchtete aus der DDR

Matti Karstedts Mutter ist in der Justizausbildung tätig. Sein Vater stammt aus der Lausitz und lernte den Beruf des Malers. Er flüchtete aus der DDR, kehrte nach der Wende zurück, studierte Betriebswirtschaftslehre und arbeitet nun als Vertriebsmitarbeiter in der Lebensmittelbranche.

Sollte Matti Karstedt ein Mandat erringen, würde er sich auf die Bildungspolitik stürzen. Der Unterrichtsausfall sei nicht hinzunehmen: „Etwa jede zehnte Stunde fällt aus. Das ist für einen Abiturienten ein ganzes Schuljahr. Das ist krass.“ Eine Unterrichtsgarantie wäre die passende Antwort. Eltern hätten Anspruch auf Entschädigungsleistungen etwa für privaten Nachhilfeunterricht. „Das würde politischen Druck aufbauen.“ Föderalismus sei zudem in der Bildungspolitik nicht mehr die Lösung, „sondern das Problem“. Schüler, die von einem Bundesland ins andere umziehen müssten, seien oft gezwungen, die Klasse zu wiederholen, „weil Klasse fünf in Brandenburg schlechter angesehen wird als Klasse fünf in Bayern“.

Bildungs- statt Schulpflicht

Schulpflicht möchte Matti Karstedt in Bildungspflicht umwandeln. Schulpräsenz sei nur nötig, sobald der Schüler bei Klassenarbeiten scheitere. Karstedt räumt ein: „In Deutschland ist das eine extreme Ansicht, in Skandinavien, Österreich und Frankreich gibt es eine Bildungspflicht.“

Einführen möchte der Jungpolitiker in die brandenburgische Sprachlandschaft auch das Wort Bürokratie-Tüv. Dort sollen alle Gesetze zwei Jahre nach Erlass auf den Prüfstand kommen. Nütze das Gesetz nichts, sei es abzuschaffen.

Klare Kante gegen AfD

Klar zeigt Matti Karstedt Kante gegen die AfD: „Politisch wird es keine Koalition mit der AfD und der FDP geben. Das steht fest. In Debatten setzen wir uns gerne mit denen auseinander, aber für einen Konsens in Regierungsform wird es absolut keine Zusammenarbeit geben. Es entspricht auch nicht unserem Werte-, Gesellschafts- und Weltbild.“

Das Erstarken der Rechtspopulisten erklärt sich Matti Karstedt so: „Die SPD ist die große, starke Partei. Wer eher konservativ eingestellt ist und sieht, dass die CDU im Land Brandenburg sowieso nicht an die Macht kommt, tritt leicht in eine gewisse Radikalisierung. Dazu die Flüchtlingspolitik, bei der bestimmte Dinge nicht gut gelaufen sind, das bestreiten ja nicht mal die Grünen. Und es gibt Teile im Land, die sich abgehängt fühlen. Das führt zu Zulauf bei den Populisten, die vermeintlich sehr einfache Antworten haben. Die immer einen Schuldigen finden.“ Wenn die AfD sage, Deutschland solle aus der Europäischen Union austreten, gefährde das Arbeitsplätze, so Matti Karstedt. „Wir sehen gerade in Großbritannien, dass alle global agierenden Unternehmen ihre Dependancen aus England verlagern nach Frankfurt/Main, Paris, Amsterdam, Berlin.“

War gern Dorfkind

Die Region zu verlassen, kommt für Matti Karstedt nicht in Frage. „Ich bin gerne als Dorfkind aufgewachsen.“ Arbeiten möchte er später als Anwalt oder in einer Werbeagentur. Dass ihm möglicherweise Lebenserfahrung fehle, um Berufspolitiker zu werden, kontert der Groß Kreutzer: „Der Landtag hat die Aufgabe, alle Brandenburger zu repräsentieren.“ Auch die Jungen. „Der Demokratie schadet es nicht, wenn auch ein paar junge Stimmen dabei sind, insbesondere weil junge Protestaktionen gerade die öffentliche Debatte bestimmen wie Fridays for Future.“ Seit drei Jahren finanziere er sein Leben selbst und arbeite, „ich habe damit mehr Berufserfahrung und Bodenhaftung als einige Berufspolitiker im Land“.

Quelle: Märkische Allgemeine


15. August 2019

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