Matti Karstedt: On The Basis of Sex

On The Basis of Sex

Gemeinsam mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen, Laura Schieritz, habe ich folgenden Gastbeitrag für das Mitgliedermagazin der Jungen Liberalen verfasst. Ihr findet ihn in der Ausgabe 03/2020.

On The Basis of Sex

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. So steht es im Grundgesetz. Doch nach Jahrhunderten, in denen für die Gleichberechtigung der Geschlechter gekämpft wurde, soll mit dem Paritätsgesetz nun wieder ein Schritt zurück gemacht werden: Denn wieder soll das Geschlecht entscheiden, wer für ein Amt kandidieren kann – und wer nicht. Ein Irrweg.

So einfach, so falsch

Die Logik des Paritätsgesetzes ist bestechend einfach: Wenn 50 Prozent der Bevölkerung Frauen und die andere Hälfte Männer sind, dann muss sich diese Verteilung auch in den Parlamenten wiederspiegeln. So einfach, so falsch. Unsere Verfassung sieht nicht vor, dass Männer nur durch Männer und Frauen nur durch Frauen repräsentiert werden können. Unsere Verfassung sieht die Freiheit der Wahl vor. Männer, die sich von Marie-Agnes StrackZimmermann besser vertreten fühlen als von Robert Habeck, sollen das per Wahl ausdrücken dürfen – und umgekehrt. Die Freiheit der Wahl wurde hart erkämpft, ist für eine Demokratie konstituierend und muss verteidigt werden. Deshalb haben wir in Brandenburg Verfassungsbeschwerde gegen das hiesige Paritätsgesetz eingelegt.

In Thüringen hat das Landesverfassungsgericht das dortige Paritätsgesetz bereits kassiert. An diesem Maßstab wird sich jetzt auch das brandenburgische Gesetz messen lassen müssen. Die unabhängigen Wissenschaftlichen Dienste der Landtage von Thüringen, Berlin und Brandenburg sowie des Bundestages haben im Übrigen bereits lange vor den Gerichten vor einer Verfassungswidrigkeit gewarnt – vergeblich. Man hat sie ignoriert.

Justitia ist blind

Daran zeigt sich: Identitätspolitik scheint bisweilen wichtiger als rechtstaatliche Prinzipien. Nachdem das Paritätsgesetz in Thüringen gekippt wurde, beklagten Verfechterinnen und Verfechter des Gesetzes, dass der Verfassungsgerichtshof das Gesetz nicht gegen „Angriffe“ der AfD verteidigt habe. Damit offenbaren sie ein erschreckendes Verständnis von Gewaltenteilung. Verfassungsgerichte sind nicht der verlängerte Arm einer Regierung. Es ist nicht ihre Aufgabe, Gesetze und Regierungsprojekte zu verteidigen.

Wenn der Verfassungsgerichtshof also ein Gesetz für nichtig erklärt, weil es Grundrechte verletzt, so spielt nicht er das Spiel der Populisten, sondern all jene, die überhaupt erst – gegen alle Warnungen und Bedenken – verfassungswidrige Gesetze auf den Weg bringen.

Echtes Empowerment statt 50/50-Schablonen

Doch auch wenn wir das Paritätsgesetz ablehnen, so dürfen wir das Kernproblem nicht ignorieren: Frauen sind in politischen Ämtern und in Parteien unterrepräsentiert. Wer behauptet, dass das bloß ein Ergebnis von Leistungsgerechtigkeit ist, ist auf dem Holzweg. Denn Parteien haben strukturelle Probleme, die politisches Engagement oftmals unattraktiv machen – für Frauen, aber auch für andere Gruppen wie junge Menschen, Nichtakademiker oder Menschen mit Migrationshintergrund. Sie alle sind in unseren Parlamenten und in den Parteien unterrepräsentiert. Das führt dazu, dass oftmals wichtige Perspektiven fehlen. Das merken wir auch bei uns JuLis: Wir haben viele Ideen zur Reform der Juristenausbildung, aber nur wenige Antworten für Azubis. Es ist also immer auch zum Nachteil der Parteien und Parlamente, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht vertreten sind.

Dieses Defizit nun mit einer Quote angehen zu wollen, ist aber der falsche Weg. Denn Quoten reduzieren das Individuum stets auf eine Eigenschaft, für das es im Falle von Geschlecht, Alter und Ethnie nicht einmal etwas kann. Es müssen also andere Lösungen her. Die Parteien müssen sich verändern und sich endlich ihrer Verantwortung für die Mitgliederermutigung und -entwicklung bewusstwerden. Denn die Aufgabe von Parteien ist nicht nur, bei Wahlen ein attraktives inhaltliches Programm zu präsentieren, sondern gleichermaßen auch, fähiges und vielfältiges Personal aufzustellen.

Schaffen wir dazu – bei uns JuLis und in der FDP – eine respektvolle und partizipative Atmosphäre, Mentoring-Programme sowie Kampagnen mit Vorbildern aus der gesamten Gesellschaft. Gleichberechtigung braucht echtes Ermutigung statt einer Gesetzesänderung und starre 50/50-Schablonen, die einer offenen und vielfältigen Gesellschaft nicht gerecht werden.


6. Oktober 2020

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