Matti Karstedt: Junge Liberale klagen gegen Paritätsgesetz

Junge Liberale klagen gegen Paritätsgesetz

Als Junge Liberale haben wir gegen das heute in Kraft tretende brandenburgische Paritätsgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt (der Tagesspiegel berichtet). Unser Landesvorsitzender Matti Karstedt, der im Rahmen der Klage auch als Beschwerdeführer auftritt, erklärt dazu:

„Im Rahmen unserer Verfassungsbeschwerde rügen wir vor allem, dass mit dem Paritätsgesetz die Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl völlig ausgehebelt werden. Dass der Staat die Wählbarkeit von Menschen an äußere Merkmale wie das Geschlecht knüpft, ist ein höchst bedenklicher Vorgang. Engagierte Menschen, die sich den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber zu Wahl stellen wollen, sollen nur aufgrund des Geschlechts eines anderen Menschen daran gehindert werden. Das ist ein erheblicher Eingriff in die Freiheit der Wahl, der sich durch nichts rechtfertigen lässt. In einer Demokratie müssen die Wählerinnen und Wähler frei und ohne Vorgaben entscheiden können, wer sie vertreten soll. Das unserer Verfassung zugrunde liegende Verständnis von Repräsentation geht nicht davon aus, dass Männer nur von Männern und Frauen nur von Frauen vertreten werden können. Das ist verordnete Ergebnisgleichheit statt echter Chancengerechtigkeit, wie wir sie wollen. Wir hoffen auf eine zügige Entscheidung zugunsten unserer Beschwerde.“

Unsere stellvertretende Bundesvorsitzende Laura Schieritz, welche ebenfalls als Beschwerdeführerin auftritt, ergänzt:

„Das Paritätsgesetz ist das Gegenteil von Gleichberechtigung, denn es unterscheidet Menschen nur auf Grundlage ihres Geschlechts. Aber ich bin mehr als eine Frau und möchte wegen meiner Fähigkeiten, nicht wegen meines Geschlechts gewählt werden. Jeder Mensch bringt durch seinen individuellen Background wertvolle Perspektiven in die politische Debatte ein. Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass politisches Engagement für Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und in jeder Lebenssituation attraktiv ist. Viele Strukturen in Parlamenten und Parteien haben sich in den letzten 100 Jahren kaum verändert und schrecken Frauen, aber auch junge Menschen, Nichtakademiker oder Menschen mit Migrationshintergrund ab. Die Parteien sollten die Mitgliederermutigung und -entwicklung, eine respektvolle und partizipative Atmosphäre sowie Kampagnen mit Vorbildern aus der gesamten Gesellschaft als eine ihrer Hauptverantwortungen begreifen. Gleichberechtigung braucht echtes Empowerment statt einer Gesetzesänderung und starre 50/50-Schablonen, die einer offenen und vielfältigen Gesellschaft nicht gerecht werden.“

 

Fragen und Antworten

Wie wollen die JuLis mehr Frauen in die Politik bringen?

Wir wollen Repräsentationsdefizite in der Politik angehen, ohne dabei das freie Wahlvorschlagsrecht abzuschaffen. Hierzu arbeiten wir daran, strukturelle Hürden für politisches Engagement abzubauen, Vorbilder zu stärken, Frauennetzwerke zu fördern und Familie wie Karriere mit der Politik vereinbar zu machen. Wir evaluieren in diesem Zusammenhang auch neue Veranstaltungsformate, welche insbesondere Vernetzungsmöglichkeiten für bislang unterrepräsentierte Gruppen schaffen. Dazu gehört in einem Flächenland wie Brandenburg auch die Möglichkeit, sich dezentral parteipolitisch zu engagieren. Zusätzlich arbeiten wir daran, auf eine einladende und respektvolle Gruppenkultur und Kommunikation hinzuwirken und unabhängige Ansprechpartnerinnen und -partner bei Belästigung zu schaffen. Empowerment erfordert eben mehr als eine einfache Gesetzesänderung und starre 50/50-Schablonen. All diese Aspekte deckt das Paritätsgesetz nicht ab.

Dürfen die JuLis überhaupt gegen das Paritätsgesetz klagen?

Die Jungen Liberalen dürfen als nur indirekt betroffener Verein keine Verfassungsbeschwerde gegen das Paritätsgesetz einlegen. Aber einzelne Mitglieder der JuLis, die sich stellvertretend für die Interessen unseres Verbandes auf ihre Grundrechte als Wählerinnen und Wähler beziehungsweise als Wahlbewerberinnen und -bewerber berufen, die dürfen das. Als Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer treten auf:

  1. Matti Karstedt
    Landesvorsitzender der Jungen Liberalen
  2. Laura Schieritz
    Stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen
  3. Ronny Fölsner
    Kreisvorsitzender der FDP Barnim, Mitglied im FDP-Landesvorstand und Fördermitglied der JuLis Brandenburg
  4. Heidrun Dorothea Fölsner
    Parteilose Wahlbewerberin

Welche Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte sehen die JuLis verletzt?

In unserer Verfassungsbeschwerde rügen wir eine Verletzung der Wahlgrundsätze der Freiheit und der Gleichheit der Wahl aus Artikel 22 III Satz 1 BbgVerf bzw. Artikel 28 I Satz 2 GG. Zusätzlich rügen wir auch eine Verletzung des Differenzierungsverbots aufgrund des Geschlechts aus Artikel 12 II BbgVerf bzw. Artikel 3 III GG.

Ein Paritätsgesetz stellt aus unserer Sicht zwar auch einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Programm-, Organisations- und Wahlvorschlagsfreiheit der Parteien und Wählergruppen dar, allerdings können wir uns auf dieses Argument nicht berufen, da wir weder Partei noch Wählergruppe sind.

Das Paritätsgesetz wurde doch schon vor längerer Zeit vom Landtag verabschiedet, wieso klagen die JuLis erst jetzt dagegen?

Das Paritätsgesetz tritt am Tag unserer Beschwerde in Kraft. Wir haben diesen Zeitpunkt bewusst gewählt, um das Anliegen mit einem aktuellen Anlass zu verknüpfen und das Thema erneut in die Öffentlichkeit zu bringen. Schließlich haben wir als Verband ein Interesse daran, Gehör für unsere Themen zu bekommen.

Es klagen doch bestimmt schon andere. Warum die JuLis auch noch?

Es gibt Dinge im Leben, die man nicht einfach „den anderen“ überlässt. Der Schutz der eigenen Grundrechte gehört aus unserer Sicht dazu.

Kann ich die Verfassungsbeschwerde lesen?

Die Verfassungsbeschwerde besteht nicht nur aus unseren eigenen Ausführungen, sondern zu großen Teilen auch aus Einschätzungen von Expertinnen und Experten, aus Gutachten, lizenzgeschützter Fachliteratur und ähnlichen Quellen, über deren Urheberrechte wir nicht verfügen. Wir dürfen die Verfassungsbeschwerde daher nicht einfach ohne Weiteres öffentlich zugänglich machen. Sie beinhaltet zudem eine Reihe persönlicher Daten der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer. Wenn dich die juristische Argumentation näher interessiert, melde dich gerne persönlich bei uns. Wir stehen für Fragen gerne zur Verfügung.

 


30. Juni 2020

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