Matti Karstedt: Im Bundestag fehlt ein Anwalt der jungen Generationen

Im Bundestag fehlt ein Anwalt der jungen Generationen

„Citius, altius, fortius“ – nicht nur die Devise der olympischen Spiele, sondern auch das Motto im anstehenden Bundestagswahlkampf: Höher, schneller, weiter. Im Sinne von: Mehr, mehr, mehr.

In Zeiten, in denen die rechten und linken Ränder der Gesellschaft immer populärer werden, versucht sich die bürgerliche GroKo durch Wahlgeschenke in der Gunst der Wähler zu halten – und verkennt dabei, wo ihre eigentliche Stärke liegt: In der unaufgeregten und sachlichen Politik.

Denn auch in einem „postfaktischen Zeitalter“ gibt es den demografischen Wandel. Seine Auswirkungen auf uns alle kann niemand leugnen. Und doch scheint es den einen oder anderen Politiker zu geben, der offenbar versucht, ihn zu ignorieren. Was der Klimawandel für die Ökologie ist, ist der demografische Wandel für die Sozialpolitik.

Neue Zahlen des Arbeitsministeriums zeigen, dass die Rentenausgaben von heute 283 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren auf jährlich 784 Milliarden Euro steigen werden. Die jetzt im Raum stehenden Wahlgeschenke sind dabei noch nicht einmal mit eingerechnet.

Fest steht, dass immer weniger junge Beitragszahler auf immer mehr Rentenempfänger treffen werden. Das ist ein Problem, mit dem man umgehen kann, und auf das es Antworten zu finden gilt. Aber nicht in Form eines einjährigen Überbietungswettbewerbs von SPD, Union und Linken.

Liebe ältere Mitbürger, versteht das nicht falsch

Wir – die junge Generation – gönnen euch eine gute Rente. Aber bedenkt bitte, dass wir uns auch selbst eine gute Rente wünschen, und natürlich auch im hier und jetzt nicht von Beiträgen erschlagen werden wollen.

Die Betonung beim Wort Sozialpolitik liegt schließlich auf „Sozial“. Aber wie sozial sind Politiker, die in jedem Bundestagswahlkampf aufs neue die Enkel für die Großeltern verkaufen, um das eine oder andere zusätzliche Mandat zu erringen? Nur, weil linke und rechte Populisten immer und immer wieder die Lüge vom Pfandflaschen-sammelnden Rentner auftischen, ist diese noch lange nicht wahr.

Ja, wir leben in Deutschland, und ja, Deutschland ist ein reiches Land. Sicher: Die eine oder andere Rente fällt recht gering aus, und wir könnten es uns leisten, hier mehr Geld auszugeben. Für die Rentenfrage greift diese Momentaufnahme aber zu kurz.

Schon der Begriff „Generationenvertrag“ zeigt, dass es sich um ein Langzeitprojekt handelt. Es geht nicht nur um die heutigen Rentner, und auch nicht nur um die von morgen. Es geht um die Rentner von übermorgen und darüber hinaus. Ganz abgesehen davon, dass die ein bis zwei Prozent der tatsächlich armen Rentner auch so schon eine staatliche Hilfe erhalten.

Das Problem: Die Beitragszahler von morgen werden gerade erst geboren

Sie haben weder ein eigenes Wahlrecht, noch eine eigene politische Lobby. Ein Engagement für die aktuellen Rentner scheint da aus opportunistischer Sicht um einiges vielversprechender. Die wenigen Vertreter der Jugend beachtet man hingegen kaum.

Rühmt sich die Union sonst so oft mit ihrer größten europäischen Jugendorganisation, der Jungen Union, so läuft sie in dieser Frage lieber geschlossen Andrea Nahles hinterher, statt zusammen mit Paul Ziemiak auf die Barrikaden zu gehen.

Im Bundestag, einem Gremium mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren, fehlt ein Anwalt der Jungen. Es liegt an uns, im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl lautstark gegen Wahlgeschenke auf unsere Kosten zu protestieren, und eine enkelfitte Umsetzung des Generationenvertrags zu fordern! So oder so: Die Konsequenzen tragen wir.

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag in der Huffington Post.


30. November 2016

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